122 jüdische Schülerinnen der Städtischen Höheren Mädchenschule
Verlegeort: Findelgasse 9 | Stadtteil: St. Lorenz |
Patenschaft: Bürgerstiftung Nürnberg | Verlegedatum: 16. Oktober 2025 |
Am 16. Oktober 2025 verlegte Gunter Demnig eine erste Stolperschwelle in Nürnberg. Sie erinnert an ehemalige jüdische Schülerinnern der Städtischen Höheren Mädchenschule Findelgasse-Frauentorgraben. Dies war der Wunsch der Schülerinnen und Schüler des Sigena-Gymnasiums, das 1958 als Nachfolger der Mädchenschule gegründet wurde. Schon 2007 hatte ein Arbeitskreis des Gymnasiums die Geschichte der jüdischen Schülerinnen der Schule während des Nationalsozialismus erforscht. Die Bürgerstiftung Nürnberg übernahm die Patenschaft für eine Stolperschwelle, die an dieses dunkle und weitgehend vergessene Kapitel der Nürnberger Stadt- und Schulgeschichte erinnert.
Die seit 1823 bestehende ehemalige „Höhere Töchterschule“ widmete sich der Bildung junger Frauen in Nürnberg. Anders als die beiden deutlich später gegründeten kirchlichen Mädchenschulen, war sie überkonfessionell ausgerichtet. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts besuchten zunehmend auch Mädchen jüdischen Glaubens die Schule.
1886 bezog die Schule das im vormaligen Garten des städtischen „Findelhauses“ erbaute Schulhaus Findelgasse 9. Nachdem die stetig wachsende Schule mit dem zuvor privat geführten „Port’schen Institut“ vereinigt worden war, kam als zweiter Standort ein Schulhaus am Frauentorgraben beim Färbertor hinzu.
Nach dem Ersten Weltkrieg konnten in der Ära des Oberbürgermeisters Hermann Luppe und unter der Leitung des Schulreferenten Konrad Weiß und des Schulleiters Benedikt Uhlemayr die städtischen Höheren Mädchenschulen (zu denen auch die Labenwolfschule gehörte) mit demokratischer Zielrichtung zügig ausgebaut werden.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten beendete diese hoffnungsvolle Entwicklung abrupt. Schulleiter Uhlemayr wurde in einem irregulären Verfahren öffentlich vor seinen Schülerinnen gedemütigt und abgesetzt und durch den überzeugten und nahezu pathologisch antisemitisch eingestellten Lehrer Anton Laemmermeyr ersetzt. Rassismus und Antisemitismus bestimmten nun die Erziehung.
Bis 1935/36 hatte Laemmermeyr sämtliche 122 jüdischen Mädchen, die die Schule 1933/34 noch besucht hatten, vertrieben. Nach dem Novemberpogrom 1938 gab es für Menschen jüdischer Herkunft kaum noch Möglichkeiten für eine berufliche oder schulische Bildung in Deutschland. Wer konnte, versuchte Deutschland zu verlassen. Buchstäblich in letzter Minute retteten mehrere Kindertransporte 1938 und 1939 einigen Mädchen das Leben, während ihre zurückgebliebenen Angehörigen meist ermordet wurden.
Die in Deutschland verbliebenen oder ins umliegende Ausland geflohenen Mädchen wurden spätestens seit Kriegsbeginn in sogenannten „Judenhäusern“ oder Sammellagern zusammengepfercht und in der Folge meist mit ihren Familien in das besetzte Polen, Tschechien oder Baltikum deportiert und ermordet. Keine jüdische Familie überstand die Shoah ohne Verluste an Menschenleben.
Die Biografien von elf ermordeten Schülerinnen, geschrieben von Schülerinnen und Schülern des Sigena-Gymnasiums, sind unter „Weitere Informationen und Biografien“ zu finden.
- Arbeitsgemeinschaft Schulgeschichte des Sigena-Gymnasiums [Hg.]: Verfolgt, vertrieben, ermordet. Das Schicksal der Jüdinnen an einer Nürnberger Oberschule 1933-1945, Nürnberg 2007.
- Wolf-Martin Hergert: 200 Jahre auf dem Weg zur Gleichberechtigung. Die Geschichte der städtischen höheren Mädchenbildung und ihre Fortsetzung bis zur Gegenwart. Festschrift zum 200jährigen Bestehen des Sigena-Gymnasiums, Nürnberg 2023.
- Wolf-Martin Hergert: Der schlechteste Weg der Erziehung geht über den Verstand. Das Höhere Nürnberger Schulwesen im Nationalsozialismus (= Nürnberger Werkstücke zur Stadt und Landesgeschichte Bd. 80), Nürnberg 2024.
Das Mädchenlyzeum mit Realgymnasium Findelgasse-Frauentorgraben von Wolf-Martin Hergert
Biografie Erika Bein
Biografie Marianne Ehrenbacher
Biografie Gerda Fechenbach
Biografie Dora Fried
Biografie Lina Hopfmann
Biografie Gerda Kleefeld
Biografie Hella Kolb
Biografie Lina Kronheimer
Biografie Franziska Mühlhauser
Biografie Lotte Samson
Biografie Lotte Zahn