Statement aus dem P-Seminar, Juli 2021
Während meiner bisherigen Schullaufbahn ist der Begriff des Nationalsozialismus immer wieder gefallen. Die Hintergründe und Auswirkungen dieser Zeit wurden mehrfach und in unterschiedlichen Fächern an uns Schüler*innen herangetragen; die „Euthanasie“ und Zwangssterilisation von Menschen mit geistiger/körperlicher Behinderung oder einer psychischen Erkrankung war nie thematisiert worden. Eine Thematik, die es erfordert, sich damit auseinanderzusetzen, weshalb ich mich dazu entschied, mich damit in einem geführten Rahmen zu befassen.
Besonders einprägsam für mich war die intensive Auseinandersetzung mit den selbstgeschriebenen Gedichten Gretes. Die Zeilen zu lesen und das Leid spüren zu können, welches diese Verse begleitete, gewährte mir einen intimen Einblick in das Ausmaß der Qualen, denen Sterilisations- und „Euthanasie“-Opfer in dieser Zeit ausgesetzt wurden.
Ihnen zu Ehren an der Verlegung von Stolpersteinen zu ihrem Gedenken teilzunehmen, empfand ich als eine sehr angemessene Abrundung. Die unaufgeregte Präsenz, die einem den Raum lässt, sich an diese Menschen zu erinnern, machen sie zu einem absolut einzigartigen Mahnmal. Auch der Akt der Verlegung war von dieser Unaufgeregtheit bestimmt. Die routinierten Abläufe der Arbeitsschritte Gunther Demnigs verdeutlichen auch, wie alltäglich diese Art von menschenverachtenden Verbrechen in dieser Zeit war.
Es hat sich viel getan seitdem, da besteht kein Zweifel. Um so mehr ich mich mit dieser Thematik beschäftigte, stellte ich jedoch fest: Wir hätten auch schon wesentlich mehr erreichen können. Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen sowie psychischen Erkrankungen ist immer noch alltäglich. Dies erfordert thematisiert und angepasst zu werden.
Ruth Rohmer, Juli 2021