Statement aus dem P-Seminar, Juli 2021

Es gab mehrere Gründe, weshalb ich mich persönlich für das P-Seminar „Stolpersteine“ entschieden habe. Zu einem hat Frau Dr. Janetzko ihr praktisches Seminar uns Schüler*innen mit einem Gefühl vermittelt, dass man das Verlangen bekam, gleich anfangen zu wollen mit der Bearbeitung der Akten oder der Fälle. Zum anderen bin ich schon als Kind in meinen damaligen Wohnort in Nürnberg auf ein paar Stolpersteine gestoßen. Schon damals war ich von den goldenen Steinen am Boden fasziniert. Als Jugendlicher begriff ich nach und nach, was sich ungefähr da ereignet hatte. Im Nebenhaus wohnten früher jüdische Mitbürger, die im Verlauf des NS-Regimes deportiert wurden. Als ich fast 10 Jahre später die Möglichkeit bekam, ebenfalls bei einer Verlegung mitzuwirken, habe ich mich meine erste Wahl auf das P-Seminar „Stolpersteine“ gesetzt.

Von besonderer Bedeutung war die Suche nach den Angehörigen. Eines meiner Aufgaben war es, dutzende Menschen telefonisch nach der Grete Gräbner zu fragen. Des Weiteren hatte ich persönlich ebenfalls die Möglichkeit, in Ziegelstein nach Personen zu suchen, die Grete gekannt haben könnten. Dort traf ich etliche Menschen, die versucht haben, mir weiter zu helfen. Als ich fast die Hoffnung aufgab, machte mir ein Mann die Tür auf. Er holte gleich seine Ehefrau, nachdem ich ihm von meiner Suche erzählt habe. Seine Ehefrau konnte mir ein paar Sachen erzählen, die sie mit 6 bis 7 Jahren mit der Familie Gräbner erlebt hat. Sie wohnte seit der Geburt im Haus ihrer Eltern. Das hat mich besonders gerührt, da sie von einem Obstbaum sprach, von dem sie im späten Sommer die Früchte geerntet haben. Dieser Baum steht bis heute an diesem Platz.

Stolpersteine empfinde ich als eine gute Form des Erinnerns. Sie sehen schlicht aus und sind zudem wind- und wetterfest. Somit sind sie geschützt vor der Witterung und können so mehrere Jahrzehnte erhalten bleiben. Sie sind zwar klein, aber man kann sie auch kaum verfehlen und geht aufgrund der auffälligen goldenen Farbe nicht geradlinig darüber, sondern wird förmlich gezwungen, seinen Blick auf die Erhebung im Boden zu richten. Auf dem Stolperstein werden die Namen der Opfer eingraviert und bei jedem Lesen durch einen Fußgänger bleibt die Erinnerung an den Menschen erhalten. Solange ihre Namen zu lesen sind, bleibt ein Teil ihrer selbst auf der Erde als Andenken an eines der schlimmsten Verbrechen an der Menschheit.

Die Stolperstein-Verlegung mit Gunter Demnig war überraschend anders, als man es sich vorgestellt hat. Er wirkte sehr entspannt und erledigte die Verlegung mit seinen perfekt eingestimmten Bewegungen. An einer Station hat ein Anwohner sich gegen einen Stolperstein ausgesprochen vor seinem Haus und Gunter Demnig verlegt diesen Stein, trotz der angespannten Situation, mit einer besonders souveränen Art. Er ließ sich von dem Anwohner nicht aus der Fassung bringen und verlegte ihn trotzdem, da er von der Verlegung dieses Steines überzeugt war. Dies zeigte mir, dass man selbst bei Widerstand aus Überzeugung weitermachen soll.

Wir als Gesellschaft sollten aufhören, andere Menschen oder Erkrankungen zu stigmatisieren. Wir sollten anfangen, mehr auf unsere Mitmenschen zu achten und sie nicht in irgendwelche Schubladen zu stecken. Wir erleben es immer noch, dass psychische Krankheiten von einigen Menschen noch viel zu sehr belächelt werden. Das kann für den ein oder anderen Erkrankten sehr belastend sein und sie fühlen sich nicht verstanden oder ausgegrenzt. Im 21. Jahrhundert sollte man seinen Blickwinkel erweitern und anfangen, den Menschen als Ganzes zusehen, da jedes Leben liebenswert ist.

Rosan Bajalani