Grußwort von Dr. Thomas Grethlein, Aufsichtsratsvorsitzender des 1. FC Nürnberg, zur Stolpersteinverlegung am 30. April 2023
Ich begrüße Sie alle sehr herzlich zur Stolperstein-Verlegung zum Gedenken an den ehemaligen jüdischen Vorsitzenden des 1. FC Nürnberg, Dr. Leopold Neuburger, seine im KZ ermordete Witwe Hedwig und ihre Kinder Hilde und Kurt. Diese Stolpersteinverlegung wird vom 1. FC Nürnberg in enger Zusammenarbeit mit dem Verein Geschichte für alle veranstaltet.
Wir freuen uns sehr, dass Sie heute hier sind und damit der Familie von Dr. Leopold Neuberger die Ehre erweisen. „»Bewältigen« oder »aufarbeiten« können wir diese von Deutschen gebilligten oder wenigstens geduldeten, organisierten und vollstreckten Schreckenstaten nicht.“ Das schrieb unlängst der Historiker Götz Aly. Was wir aber tun können, ist: Sich des Schrecklichen erinnern, sich ins Bewusstsein rufen, was die Täter getan haben. Und vor allem die Opfer nicht vergessen, sich ihrer erinnern. Und wir müssen das natürlich mit der Aufforderung verbinden, alles zu tun, dass dergleichen niemals wieder geschehe. Sie verzeihen mir, wenn ich Sie nicht alle persönlich begrüßen kann, doch einige will ich gern namentlich willkommen heißen:
• Den SPD-Stadtrat Michael Ziegler; er ist in Vertretung des Oberbürgermeisters Marcus König hier – und da wir uns persönlich kennen, sage ich: schön, dass Du da bist, Michael
• Jurij Kopf, Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg
• Dr. Pascal Metzger, Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Verein
Geschichte für Alle
• Leonhard Stöcklein, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte der FAU
• Thomas Schneider, Leiter Fanangelegenheiten der DFL
• Der Autor Matthias Hunger, der sich um den Fußballkosmos 1. FC Nürnberg verdient gemacht und 100 Orte der Erinnerung in einem Buch versammelt hat
• Von der Presse sind anwesend: Christiane Krodel und Werner Schönberger
• Und last but not least ist es mir eine besondere Ehre, Yvonne Rothschild zu begrüßen, die Tochter des jüdischen Club-Mitglieds Walther Seefried Rothschild, der Buchenwald überlebt hat. Wir gratulieren Ihnen, liebe Frau Rothschild zugleich sehr herzlich zum Geburtstag, den Sie heute feiern.
Am 30. April 1933, heute vor 90 Jahren, hat der 1. FC Nürnberg als einer der ersten Fußballvereine in Deutschland seine jüdischen Mitglieder von der Mitgliederliste gestrichen - in vorauseilendem Gehorsam und ohne, dass dies von oben angeordnet war.
142 jüdische Mitglieder wurden über Nacht gestrichen. Für die Betroffenen war dies eine regelrechte Zäsur. Nur wenige Wochen nach der Machtübernahme der Nazis in Deutschland machte der 1. FC Nürnberg ihnen klar, dass sie nicht mehr dazu gehörten, nur weil sie Juden waren.
An diesen antisemitischen Akt der Club-Vereinsführung erinnert der 1. FC Nürnberg nun alljährlich am 30. April mit einer Stolpersein-Verlegung für die ausgeschlossenen jüdischen Club-Mitglieder und für ihre Familien. Den Auftakt dazu macht die Stolperstein-Verlegung für die Familie Neuburger. Das hat seinen Grund: Wir gedenken damit an den ehemaligen Vereinsvorsitzenden, den jüdischen Rechtsanwalt Dr. Leopold Neuburger, an seine im KZ ermordete Witwe Hedwig und seine beiden Kinder Hilde und Kurt, die die Schoah überlebt haben, weil sie nach Großbritannien emigrierten.
Näheres zu deren Biografien erfahren sie im Anschluss von Bernd Siegler, der sich durch die Recherche zu den ausgeschlossenen Mitgliedern, die aufgrund des Fundes der Karteikarten im Keller des FCN besonders verdient gemacht hat.
Dass der FC Bayern München mit Kurt Landauer einen jüdischen Präsidenten hatte, ist vielen bekannt. Dass auch der 1. FC Nürnberg mit dem Rechtsanwalt Dr. Leopold Neuburger einen jüdischen Präsidenten hatte, das wissen nur ganz wenige. Es ist kaum im Bewusstsein verankert, dass jüdische Funktionäre, Fußballspieler und Trainer einen großen Anteil am Aufschwung des Fußballs in Deutschland nach 1900 haben – das betrifft den DFB, das betrifft Bayern München, Eintracht Frankfurt, das betrifft unseren Club und viele andere Vereine.
Daran wollen wir erinnern und den vor 90 Jahren aus dem Verein ausgeschlossenen jüdischen Club-Mitgliedern ein würdiges Gedenken verschaffen mit Stolpersteinen vor den Häusern, in denen sie gewohnt hatten. Sie werden damit Teil des größten dezentralen Mahnmals der Welt. Über 75.000 Stolpersteine in Deutschland und in 21 europäischen Ländern erinnern an das Schicksal der Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Selbstmord getrieben wurden. Die Stolpersteine erinnern nun auch an die Familie Neuburger.
Dank an Geschichte für Alle e.V. und alle die heute gekommen sind.