Statement von Daniel F. Ulrich, Mai 2021 zur Stolpersteinverlegung

Ich bin 2010 durch Zufall auf die künstlerische Erinnerungsaktion von Gunter Demnig gestoßen. Seine „Stolpersteine“ erschienen mir ein sehr treffender Versuch, sich der Geschichte der eigenen Vorfahren und der Stadt zu stellen. Meine Großmutter selig hatte als Kind in Nürnbergs Burgviertel gespielt, zu Gast bei der Tante, und davon viel erzählt. Der Bezug zur Stadt Nürnberg drängte sich auf, obwohl ich selbst nicht in Nürnberg wohnte.

Ich hatte aber keinen konkreten Anknüpfungspunkt, keine weiteren Bezüge in der Familiengeschichte, keinen Hang zu einem besonderen Ort. Das Angebot des Künstlers, für solch einen Fall „Stolpersteine“ mit Namen von Menschen zu gravieren, deren Schicksal zwar dokumentiert werden konnte, für die aber weiter nichts Biografisches bekannt war, fand ich gerade wichtig: die Lebensdaten von Menschen, die fast schon vergessen worden waren, weil die fürchterliche Effizienz der Vernichtungsmaschinerie des „Dritten Reichs“ alle Spuren getilgt hatte, gilt es vielleicht sogar besonders deutlich zu erhalten… Das „Nie wieder!“ braucht Erinnerung. Auch wenn mir heute die Debatte um diese konkrete Art des Erinnerns und Mahnens viel bewusster ist als seinerzeit, denke ich weiter, dass die „Stolpersteine“ ihre Berechtigung und ihren Nutzen haben.

Das Setzen dieser beiden Stolpersteine war für mich der Anfang einer tieferen Befassung mit der Geschichte der Stadt und Deutschlands. Ich lernte einige der wenigen überlebenden Juden kennen, ich durfte deren Erzählungen aus erster Hand hören, die alles Gelesene in den Schatten stellten.

Nun geht die Ära der Zeitzeugen leider dem Ende zu, die Verpflichtung zu Erinnerung, Mahnung und Handeln bleibt aber. Das ist eine persönliche Herausforderung für mich ganz direkt, für alle in der Stadt der Menschenrechte in der sich stetig wandelndes Stadtgesellschaft. Ich hoffe, auch in Zukunft einen Beitrag leisten zu können, damit die Shoa nicht relativiert wird, in Vergessenheit gerät oder anders gedeutet wird als das was sie war: ein unsäglich einzigartiges Menschheitsverbrechen.