Rede von Bernd Siegler

Der Kaufmann Bruno Einstein wird am 14. April 1894 in Obbach bei Schweinfurt als drittes Kind des jüdischen Arzt-Ehepaars Dr. Theodor Einstein und seiner Frau Johanna geboren. Das Ehepaar hat vier Kinder: Bruno, Adele, Julius und Sigurd. 1915 zieht die Familie nach Nürnberg.

Bruno Einstein ist als Handlungsgehilfe und später als Kaufmann tätig. Er wohnt in Nürnberg zunächst in der Enderleinstraße 13. Im Ersten Weltkrieg ist er bei der Bayerischen Fliegerersatzabteilung in Schleißheim. Im Dezember 1921 heiratet er die Protestantin Anna Margarete Weiher aus Eschenau.

Am 1. Oktober 1926 tritt Bruno Einstein dem 1. FC Nürnberg als passives Mitglied bei. 1933 meldet er die „Einstein & Wunderlich kaufmännische Vertretungen“ als Gewerbe an. Das Ehepaar hat keine Kinder und wohnt zuletzt in der Peter-Henlein-Straße 48.

Am 30. April 1933 entfernt der Club ihn aus der Mitgliederliste und markiert dies auf seiner Karteikarte mit dem Stempel „30. APR. 1933“. Nach Hitlers Machtübernahme haben Bruno und Anna Margarete Einstein Deutschland verlassen. Das Meldeamt der Stadt Nürnberg vermerkt bei ihnen am 16. September 1933: „unbekannt verzogen“ – und kurze Zeit später, am 4. Oktober: „abgemeldet unbekannt wohin“. Am 12. April 1937 wird beiden die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, und ihr Vermögen wird beschlagnahmt.

Zu diesem Zeitpunkt ist das Ehepaar Einstein längst in Frankreich. Bis auf die älteste Schwester Adele flüchten alle Einstein-Kinder nach Frankreich. Julius geht nach Clermont-Ferrand und emigriert im Dezember 1946 in die USA. Sigurd stirbt am 10. Oktober 1934 im Hospital Lariboisière in Paris.

Und Bruno Einstein schließt sich der Fremdenlegion an, um so die französische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Vom Dezember 39 bis Oktober 40 ist er als Freiwilliger in Algerien stationiert. Danach lässt er sich in Clermont-Ferrand nieder

Bruno Einstein zieht anschließend nach Billom in der Region Auvergne- Rhône-Alpes. Dort arbeitet er im Sägewerk, in der Töpferei und in der Tischlerei am Ortseingang von Billom. Diese Betriebe hatte Pierre Pottier gegründet und geleitet. Er ist Leiter der Widerstandsbewegung im Bezirk Billom ist. Bei der Resistance agiert er  unter dem Pseudonym »Athos« und seine Fabrik wird zur Keimzelle des Widerstands gegen die Besatzer.

Unter den rund 100 Mitarbeitern sind viele Juden und Flüchtlinge aus Ostfrankreich, dem Elsass und Lothringen, die sich dem Pflichtarbeitsdienst des Vichy-Regimes zum Einsatz in der deutschen Kriegswirtschaft widersetzen. Sie bauen ein geheimes Lager für Waffen und Munition auf.

Im Kanton Billom gibt es 230 bewaffnete Männer, die gegen die deutsche Armee kämpfen. Bruno Einstein wird als Soldat in die Resistance-Gruppe der Pottier-Fabrik aufgenommen. Er nimmt an deren Aktivitäten wie z.B. handstreichartige Überfälle, Schmuggeln von Benzin, oder Transport von Waffen teil. In der Résistance gehörte er zu den sogenannten Französischen Kräften des Inneren (F.F.I.).

Am 16. Dezember 1943 zerstören deutsche Soldaten das Netz der Resistance in Billom. An der Operation sind fast 2.000 Soldaten beteiligt, die von Hugo Geissler befehligt werden, dem berüchtigten Kommandeur der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (SD) im Vichy-Regime. Sie errichten Straßensperren, durchsuchen die Pottier-Fabrik und verhaften insgesamt 45 Widerstandskämpfer. 20 von ihnen, darunter auch Bruno Einstein, werden zur Kaserne des 92. Infanterieregiments von Clermont-Ferrand gebracht, dort gefoltert, und am 20. Dezember 1943 erschossen.

1947 wird Bruno Einstein eine besondere Ehre zuteil: Ihm wird offiziell der Ehrentitel „Mort pour la France“ („Gestorben für Frankreich“) zuerkannt. Sein Name ist auf der Gedenk-Stele vor der Pottier-Fabrik eingraviert und befindet sich auch auf dem Denkmal für die „Toten des Krieges 1939 – 1945 und des Widerstands“ in Billom.

In der kleinen Stadt bleibt die Erinnerung an die Razzia von 1943 lebendig. Alljährlich findet am Tag der Exekution der Resistance-Kämpfer eine Gedenkfeier statt. In der Gedenkrede des Bürgermeisters zum 70. Jahrestag der Geschehnisse heißt es: «Diese Menschen wurden getötet, weil sie anderen Widerstandskämpfern oder Flüchtlingen helfen wollten oder weil sie einfach nur einen Funksender besaßen. Einfache Gesten und Risiken für die Bewahrung unserer Werte: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Ihr Beispiel ist heute der Grund für unseren Stolz.“

Anfang 1968 kehrt Anna Margarete Einstein nach Nürnberg zurück. Sie lebt im Altenheim in der Veilhofstraße 34. Bei der Meldebehörde gibt sie an, dass ihr Mann am 20. Dezember 1943 in Billom „auf dem Schießstand des 92. Infanterie-Regiments“ erschossen worden wäre. Diese Angaben werden laut Vermerk in ihrer Meldekarte durch ein Schreiben der Stadt Billom bestätigt.

Anna Margarete Einstein stirbt am 26. Juni 1971 in Nürnberg.