Grußwort von Evelyn Konrad, Jenős Tochter, zur Stolpersteinverlegung am 26. Juni 2022

Es ist rührend für mich, und für meine vier Kinder, wie liebevoll der 1. FCN alljährlich mit dem Schulprojekt „Jenö Konrad Cup – Fußball trifft auf Geschichte“ an meinen Vati gedenkt. Zu wissen, dass mit dem heutigen Tag vor dem Nürnberger Stadion und vor unserer damaligen Wohnung in der Bingstraße ein Stolperstein auf das Schicksal meines Vaters hinweist, geht uns allen sehr nahe.

Es tut mir und meinen Söhnen mit ihren Familien unheimlich leid, dass wir bei diesem feierlichen Akt nicht dabei sein können. Ich löse gerade meinen Landsitz in Southampton auf und ziehe ganz nach New York. Da sind viele Dinge zu tun, die meine Anwesenheit in New York erfordern. Aber ich darf Ihnen versichern, wir alle sind mit unserem ganzen Herzen bei Ihnen. Und ich weiß ganz bestimmt, dass ich nächstes Jahr noch einmal nach Nürnberg kommen werden.

Was meinen Vati am meisten gefreut hätte, ist, dass es Schülerinnen und Schüler waren, die diese Idee für die Stolpersteine hatten und dies auch in die Tat umgesetzt haben. Das ist gewissermaßen das passendste, was passieren konnte, denn Vati hatte sich immer für die Jugend eingesetzt und interessiert.

Mein Vati war ein unheimlich feiner Mensch. Er hatte Kinder und Jugendliche ganz besonders gern und hatte sehr viel Geduld mit ihnen. Auch mit mir: Er hat mir immer das Vertrauen gegeben, dass ich keine Angst vor Niederlagen haben soll. Niederlagen gehören zum Erfolg dazu, von Niederlagen könne man viel lernen, hat er immer gesagt.

Ich bin jetzt 93 Jahre alt und sage, nur noch sechseinhalb Jahre bis ich 100 bin. Damals vor 90 Jahren war ich noch zu jung, um mich selbst zu erinnern. Aus Erzählungen weiß ich aber, dass sich meine Eltern in Nürnberg sehr wohl gefühlt haben. Sie haben oft und liebevoll von diesen zwei Jahren gesprochen, die wir hier waren. Es gibt wenig, an das ich mich noch erinnere, aber den Abschied weiß ich noch genau. Am Bahnhof stand der Club-Vorstand mit Rosen für Mutti. Die wollten nicht, dass wir gehen. Sie waren sehr anständig und haben sich immer vornehm benommen.

Mein Vati hat immer betont, dass er nach dem Hetzartikel nicht davongelaufen ist. Ich bin nicht davongelaufen, ich bin weggegangen, hat er immer gesagt. Im August 1932 hatte er genau gesehen und gespürt, wie sich die Dinge ein paar Monate später in Deutschland würden entwickeln werden. Dieses feine Gespür für aufkeimenden und wachsenden Antisemitismus hatte ihm und letztlich auch mir und meiner Mutti das Leben gerettet.

Ich möchte den heute Anwesenden sein Lebensmotto mit auf den Weg geben: Immer freudig in die Zukunft schauen, und ohne Angst und ohne Furcht leben. Mein Vati war stets total positiv. Er hatte immer Pläne für die Zukunft gemacht und diese Pläne auch durchgeführt. Das ist es, was ich von ihm geerbt habe. Talent habe ich keines, aber diese Lebensanschauung.

Ich bin unerhört dankbar, für das, was hier vom 1. FC Nürnberg für die Menschenrechte gemacht wurde und weiter gemacht wird. Machen Sie weiter so, damit sich so etwas wie mit meinem Vati nicht wiederholen wird.